MUSICA OBLITA

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Trauer-Symphonie c-Moll op. 23

Bernhard Romberg wandte sich verhältnismäßig spät der Gattung Symphonie zu. Als er im Alter von 43 oder 44 Jahren seine erste Symphonie komponierte, hatte sein Cousin Andreas sein symphonisches Werk mit der 1806 entstandenen Symphonie D-Dur op. 22 bereits abgeschlossen. Vielleicht bedurfte Bernhard eines äußeren Anstoßes, um sich der obersten Gattung der Instrumentalmusik zu widmen: 

Am 19. Juli 1810 starb Königin Luise von Preußen, die Gattin König Friedrich Wilhelms III., im Alter von nur 34 Jahren; ihre entschlossene Haltung gegenüber Napoleon hatte ihr sehr große Sympathien in der Bevölkerung eingebracht, und ihr früher Tod löste ein Welle von Trauerkundgebungen und Gedächtnisfeiern aus. Auch Bernhard Romberg muss von dem Ableben der Monarchin betroffen gewesen sein, möglicherweise hatte er auch im Sinn, durch ein unverwechselbares Werk, das die Stimmungslage des Publikums trifft, sich nach Jahren der Abwesenheit von Deutschland in Erinnerung zu rufen. 

Als Mitglied der königlichen Kapelle hatte ihn die Königin kennen und schätzen gelernt. Am 14. Dezember 1808 hatte er bei einem Konzert in Königsberg, wie das Unterhaltungsblatt Der Freimüthige berichtet, den königlichen Hof „entzückt“.[1] Wie Romberg in einem Brief vom 12. Januar 1809 schreibt, sei er „nach den [sic!] Willen der Königinn[2] mit dem preußischen Hof nach St. Petersburg gereist. Während des Aufenthaltes in St. Petersburg im Januar 1809 veranstaltete die Königin ein Konzert in ihrem Domizil, bei dem Romberg in St. Petersburg debütierte, wie die Königin unter dem 24. Januar 1809 in ihrem Tagebuch festhielt: „Gegen neun Uhr versammelte man sich bei mir, und bei uns fand ein kleines Konzert statt. Die Philis sang kleine Romanzen. Debut von Romberg; er gefiel sehr; dann Souper.[3] 

Darin erschöpfen sich alllerdings die Quellen, welche Aufschluss über eine direkte Beziehung zwischen Königin und Virtuosen geben. Wie dem auch sei, Romberg komponierte eine (so das Titelblatt des Stimmdrucks) Trauer-Symphonie [...] Dem Andenken der unvergeßlichen Hochseligen Königin Louise von Preußen gewidmet. Einen offiziellen Anlass zur Komposition des Werkes gab es offensichtlich nicht; denn bei den offiziellen und offiziösen Trauerfeierlichkeiten in Berlin wurde die Symphonie nicht gespielt. Die erste nachweisbare Aufführung des Werkes fand denn auch nicht in Berlin, sondern am 22. Dezember 1811 in Leipzig statt. Der Herausgeber der Allgemeinen musikalischen Zeitung, Friedrich Rochlitz, hält in seiner Rezension dieses Konzerts fest, das Werk sei „weniger mit glänzender Phantasie, als mit klarer Besonnenheit, gründlicher Kunst und reifer Erfahrung geschrieben.“ Gleichwohl verzichtet er auf die Diskussion technischer Einzelheiten und gibt stattdessen einen kurzen, aber einfühlsamen Kommentar, der den Stimmungsgehalt des Werkes so charakterisiert, wie ihn das damalige Publikum empfunden haben dürfte:

Der Verf. beginnt mit einer einfachen, wehmüthigen Klage, welche dann in einen Erguss heftigern Schmerzes übergeht; in einem lieblichen, sanften Satze will er dem Zuhörer nun das schöne Bild der verehrten Entschlafenen bestimmter vor das Auge führen: hierauf kehrt er zu den Empfindungen der ersten beyden Stücke zurück, verstärkt sie aber beyde eingreifender und zuweilen wahrhaft tief in die Seele schneidend; worauf ein sehr sanfter, tröstender, gleich die Gehuldigte vor der Phantasie verklärender Satz das Ganze beschliesst.[4]

Das äußerlich zweisätzige Werk[5] weist in der Tat eine dramaturgisch geschickte Anlage auf, die den seiner Zeit noch nicht zum Klischee erstarrten Topos von „Tod und Verklärung“ musikalisch sinnfällig realisiert: Der die herkömmliche langsame Einleitung ersetzende Trauermarsch, die „einfache, wehmüthige Klage“, kehrt verkürzt unmittelbar vor dem Schluss-Abschnitt des zweiten Satzes, einem ätherisch verklingenden Andante grazioso, wieder. Dadurch dass zwei hochdramatische Allegro-Abschnitte und ein lyrischer Andante-Satz zwischen dem ersten und zweiten Erklingen des Trauermarsches geschoben sind, gewinnt dieser bei seiner Wiederaufnahme einen ganz anderen Ausdruck: Stimmt er zu Beginn der Symphonie auf den düsteren Lamento-Charakter des Werkes ein, so wirkt er nach den vorangegangenen dramatischen Ausbrüchen entspannend, gewissermaßen vorbereitend auf den verklärenden Schlussteil des Werkes. 

Zu Beginn des Jahres 1812 erschien der Stimmdruck des Werkes, und zwei Jahre später folgte ein Klavierauszug zu vier Händen, ein Beleg für die große Beliebtheit der Symphonie.

Bert Hagels

[1] Der Freimüthige 5 (1808), S. 1031. Der preußische Hof war in der ersten Zeit nach der Niederlage gegen Napoléon nach Königsberg exiliert.

[2] Zitiert nach: Herbert Schäfer, Bernard Romberg. Sein Leben und Wirken. Ein Beitrag zur Geschichte des Violoncells, Münster/Westf. 1931, Anhang S. VII.

[3] Königin Luise von Preußen, Briefe und Aufzeichnungen, mit einer Einleitung von Hartmut Boockmann hrsg. von Malve Gräfin Rothkirch, München 1985, S. 468.

[4] AmZ XIV (1812), Sp. 12f.

[5] Ausführliche analytische Bemerkungen zum Werk bei: Joshua Berrett, Introduction, in: The Symphony 1720-1840, Series C-Volume XIV, New York & London 1985, S. lxx-lxxii; die Mehrdeutigkeit der zyklischen Konzeption ist hervorgehoben bei: Jin-Ah Kim, Anton Eberls Sinfonien in ihrer Zeit: hermeneutisch-analytische Aspekte der Sinfonik 1770-1830, Eisenach 2002, S. 327f.

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