MUSICA OBLITA

Danzi            Eberl            Romberg             Wilms            Neukomm            Spohr             Onslow            Ries            Fesca            Kalliwoda                 Impressum

Sinfonie Nr. 3 B-Dur P 222

Sinfonie Nr. 4 D-Dur P 223 

Nach den beiden 1804 veröffentlichten Sinfonien d-Moll P 220 und C-Dur P 221 lässt Danzi über ein Jahrzehnt verstreichen, bevor er wieder mit zwei Sinfonien an die Öffentlichkeit tritt. Im Jahr 1818 erschienen bei André in Offenbach die beiden auf den Titelblättern als Nr. 3 [B-Dur P 222] und Nr. 4 [D-Dur P 223] gezählten Sinfonien; der Verlag zeigte das Erscheinen beider Werke an in einer am 13. September 1818 im Allgemeinen Anzeiger der Deutschen erschienenen Annonce. Die Zählung als Nr. 3 und 4 ergibt sich, wenn man die nicht veröffentlichten frühen Sinfonien außer Acht lässt und die beiden 1804 publizierten Werke als Nr. 1 und 2 zählt. 

Die Entstehungszeit ist nicht bekannt, und auch über den Anlass zur Komposition kann nur spekuliert werden; möglicherweise hat Danzi sie für die Konzerte der Karlsruher Museumsgesellschaft geschrieben; Aufführungen der beiden Werke sind jedoch nicht belegt. Denkbar ist auch, dass sie auf Anregung des Verlegers Johann Anton André, in dessen Verlag seit 1813 mehrere größere Werke Danzis erschienen waren, entstanden sind. 

Die Tatsache, dass beide Werke viel stärker als die früheren Sinfonien einer gewissen klassischen Ausgewogenheit huldigen, legt freilich den Gedanken nahe, dass sie erheblich später als diese, möglicherweise erst kurz vor ihrer Veröffentlichung, komponiert wurden. Nicht dass auch Danzis späte Sinfonien überraschende Momente böten –, diese sind aber deutlicher als zuvor eingebettet in ein auf tonale und formale Balance ausgerichtetes Gesamtkonzept. 

Demonstrieren lässt sich das Behauptete etwa an der Harmonik der Langsamen Einleitung der Sinfonie D-Dur P 223: Sie beginnt mit einem Unisono gespielten Dreiklangsmotiv in d-Moll, das, ebenfalls im Unisono, in g-Moll und c-Moll wiederholt wird, unterbrochen durch vorhaltsreiche harmonische Wendungen nach C-Dur, dann nach F-Dur, um nach dem dritten Erklingen sich ohne Umschweife nach A-Dur, der Dominanttonart des Satzes zu wenden. Darauf wird der Satzbeginn in den Streicherbässen wiederholt, nun aber eingefügt in eine pulsierende akkordische Begleitung der hohen Streicher – es ist ein nahezu klassisches Muster der Integration eines sperrigen, gewissermaßen außersinfonischen Musikfragments in den Fluss eines musikalischen Satzes bei gleichzeitiger, über Umwege erfolgender kadenzieller Befestigung der Grundtonart. 

Überdies nimmt die melodische Kontur des Satzbeginns den Umriss des Allegro-Hauptthemas vorweg, das mit den im Unisono repetierten Tönen des D-Dur-Dreiklangs beginnt. Nach dem Verlauf der Langsamen Einleitung wirkt die Rückkehr zum Unisono am Beginn des Allegro-Teils allerdings weniger wie ein Hauptthema als vielmehr wie ein proklamiertes Motto; der Allegro-Satz kommt erst mit dem Nachsatz in punktiertem Hörnerklang in Fahrt. Eine Reminiszenz an die harmonischen Eigenwilligkeiten im Kopfsatz der C-Dur-Sinfonie (P 221) macht sich im achttaktigen Seitenthema bemerkbar, dessen Nachsatz unvermittelt von A-Dur nach F-Dur springt; aber selbst dieser scheinbare Ausbruch wird harmonisch sofort integriert, indem F-Dur als neapolitanischer Vorhalt vor der Dominante E-Dur gedeutet wird. 

Die Langsame Einleitung im Kopfsatz der Sinfonie B-Dur P 222 hat dieselbe Funktion wie die der D-Dur-Sinfonie, nämlich die Bestätigung und Festigung der Grundtonart des Satzes; sie erreicht dieses Ziel aber auf gänzlich andere Weise als die vorhin besprochene Introduktion. Denn hier ist es nicht die Umspielung oder Umschreibung, sondern die schlichte Penetranz des Grundtons B, der in den ersten sieben Takten (und wieder in den T. 14-17) im Bass oder in den Bläsern konstant dem harmonischen Überbau zugrunde liegt. 

Diese beiden Beispiele mögen genügen, um  zu belegen, dass Danzi in seinen letzten beiden Sinfonien mit Geschick die etablierten Formmodelle verwendet. Überhaupt folgen die Kopfsätze beider Sinfonien ohne bemerkenswerte Abweichungen dem Muster der Sonatenform, mit ausgeprägten Seitensätzen in der Dominanttonart (wobei das Seitenthema der B-Dur-Sinfonie motivisch eine – durch Akkordschlägen im Fortgang gehemmte – Variante des quirlig impetuosen Hauptthemas ist), mit dramatisch bewegten Durchführungen und vollständigen Reprisen von Haupt- und Seitensätzen (unter Verkürzung von Überleitungen und Schlussgruppen). 

Auch in den langsamen Sätze, in beiden Fällen schlicht Andante überschrieben, verzichtet Danzi auf Extravaganzen; das der B-Dur-Sinfonie weist eine einfache Bogenform auf, in deren Anfangs- und Schlussteil in F-Dur das schlichte Hauptthema variativ entfaltet wird, während der Mittelteil in f-Moll in synkopischen Rhythmen dramatisch bewegt ist. Das Andante der D-Dur-Sinfonie, in A-Dur und in wiegendem 6/8-Takt, mit einem wunderbar einfachen Hauptthema mit absteigender Melodielinie, und einem dominantischen Seitenthema, das nach einer kursorischen Abschweifung den Duktus des Hauptthemas wieder aufnimmt, weist eine Sonatenform mit einer kurzen, verschiedene Mollbereiche berührenden Durchführung auf. 

Das thematische Material beider Menuette ist durch komplementäre Motivpaare gekennzeichnet; in der B-Dur-Sinfonie steht einem stagnierenden Drehmotiv ein stufenweise aufwärts führendes, vorwärts treibendes Motiv gegenüber, während das Menuett der D-Dur-Sinfonie vom Gegensatz aufstrebender Dreiklangsfiguren und retardierender Septakkorde (ähnlich dem Menuett der Sinfonie C-Dur P 221) geprägt ist. 

Die Finalsätze repräsentieren den klassischen „Kehraus“-Typus, zwar in Sonatenform, aber mit locker gefügten, spielerischen Haupt- und Seitenthemen, wobei die Kontur der Hauptthemen in beiden Fällen vage an die Gestalt der Hauptthemen der Kopfsätze erinnert. Das Finale der D-Dur-Sinfonie erhält, ganz ähnlich wie das Finale von P 220, durch die Wiederaufnahme des Hauptthemas in der Grundtonart vor Beginn der Durchführung überdies einen rondoartigen Charakter.

Bert Hagels

Home        

Danzi            Eberl            Romberg             Wilms            Neukomm            Spohr             Onslow            Ries            Fesca            Kalliwoda                 Impressum