MUSICA OBLITA

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Ouvertüre zu Schillers Trauerspiel „Die Braut von Messina“ op. 162

Ferdinand Ries komponierte die Ouvertüre zu Friedrich Schillers Trauerspiel ‚Die Braut von Messina’ im Jahr 1829 in Frankfurt/Main. In Ries’ eigenhändigem Werkverzeichnis ist die Ouvertüre zwar nicht datiert, sondern lediglich der Ort der Entstehung angegeben[1], aber auf dem Titelblatt der autographen Partitur ist das Entstehungsjahr des Werks mit 1829 angegeben. 

In einem Brief von Ferdinand Ries an den Zürcher Musikverleger Hans Georg Nägeli vom 21. Januar 1830 ist die Rede davon, dass Ries zu Pfingsten 1830 anlässlich des Niederrheinischen Musikfestes in Düsseldorf seine „neue Ouverture[2] zu Schillers Braut von Messina zum ersten Mal aufführen wolle. Wenn die Ouvertüre im Januar 1830 „neu“ ist, so darf vermutet werden, dass sie in den Monaten zuvor entstanden ist. Von seiner neuen Ouvertüre schien Ries sehr viel zu halten; er spielte sie interessierten Gästen am Klavier vor, so auch Anfang April 1830 dem Musiktheoretiker und Herausgeber der Musikzeitschrift Caecilia, Gottfried Weber aus Darmstadt. Seinem Freund Franz Gerhard Wegeler berichtet er am 8. April über diesen Besuch:

G.[ottfried] Weber aus Darmstadt hat mich vor einigen Tagen besucht, ich spielte ihm meine neue Ouverture zur ‚Braut von Messina’, welche in Düsseldorf zum erstenmal aufgeführt werden soll, sie gefiel ihm so, daß ich sie ihm 3 mal ganz wiederhohlen [sic!] mußte: ich glaube selbst, daß es ein effektvolles Orchesterstück ist.[3]

Die Uraufführung des Werkes am 30. Mai 1830, dem ersten Tag des Niederrheinischen Musikfestes in Düsseldorf, war ein so großer Erfolg, dass die Ouvertüre einen Tag später auf Verlangen wiederholt werden musste.  Seinem Bruder Joseph in London berichtet Ferdinand Ries am 9. Juni 1830:

Meine neue Ouverture ‚Zur Braut von Messina’, welche die Eröffnung des Festes machte, wurden den zweyten Tag mit allgemeinem Ungestüm vom ganzen Publikum, Chor und Orchestre begehrt, gerade als die Overture [sic!] von Cherubini vorüber war, und so aufgeführt, wie wenig, große Sachen gespielt worden sind.[4]

Dass Ries hier keineswegs zu seinem Gunsten übertreibt, legen Berichte über das Musikfest in der zeitgenössischen Presse nahe. In der erwähnten Musikzeitschrift Caecilia beispielsweise stand zu lesen, dass „die feste und sorgfältige Leitung unsers allverehrten F. Ries [...] auch diesmal nicht genug zu preisen“ sei; jeder Mitwirkende – genannt werden 270 Sänger und 150 Instrumentalisten - habe sich „dem unermüdlich bessernden und nachhelfenden Meister innigst verbunden“ gefühlt. Die im Eröffnungskonzert am 30. Mai aufgeführte Ouvertüre von Ries begeistert den Rezensenten zu einer poetisierenden Schilderung:

Die gewaltigen Gegensätze der Tragödie haben den Tondichter zu mehren kraftvollen Sätzen begeistert, welche durchaus der Darstellung von einer so bedeutenden Instrumentenmasse angemessen sind. Dass in der Behandlung aller Instrumente die tiefste Kenntniss, die feinste Kunstgewandtheit sich offenbare, versteht bei einem Ries’schen Werke sich ungesagt. Machtvoll und düster beginnt es, wie Gewitternähe. Aus der Todesahndung steigt eine Liebesstimme himmelan, welche Kampf und Streit bald auf die verworrene Erde zurückreissen. Nach dieser schweren Trübe bricht wiederum ein leichter Morgen des Entschlusses, der Thatkraft an, der jedoch mehr und mehr sich bewölkt, bis am Schlusse grausiger Kampf die Grundfesten der Erde erbeben macht, die Todten sich regen in ihren Grüften, und ein Schreckensruf der Vernichtung, Brudermord und Hass, titanisch den Himmel stürmt. Sehr bestimmt und klar traten in der Ausführung diese Abschattungen hervor.

Die Wiederaufführung am zweiten Tag scheint noch beeindruckender gewesen zu sein: „Noch kraftvoller und genauer, als gestern, trat dieses kunstreiche Werk hervor, wie Athene aus dem Haupte des Zeus.[5]

Zu Beginn 1831 erschienen im Haus des mit Ries befreundeten Verlegers Nikolaus Simrock der Stimmdruck und eine Bearbeitung für Klavier zu vier Händen; bis 1834 folgten im gleichen Verlag weitere Arrangements für Streichquartett und Flötenensemble.[6] Gewidmet ist der Stimmdruck Graf Friedrich Wilhelm von Redern (1802-83), von 1831-42 Generalintendant der Königlich-Preußischen Schauspiele; die Widmung der Ouvertüre steht möglicherweise im Zusammenhang mit den Aufführungen von Ries’ erster Oper Die Räuberbraut im Königlichen Opernhaus in Berlin, deren erste am 8. Februar 1831 statt fand und von Ries selbst geleitet wurde.[7]

Eine im Ganzen recht positive Rezension des Stimmdrucks erschien im Oktober 1831 in der Leipziger Allgemeinen musikalische Zeitung:

Ueber die gute Wirkung dieser stark besetzten Ouverture haben wir von namhaften Musikern, die sie hörten, mehrfache günstige Urtheile vernommen, die, an sich glaublich, durch die Durchsicht der Directionsstimme [...] lebhaft bestätigt worden sind.[8]

Der Rezensent hielt das Sujet der Ouvertüre sogar für besser gewählt als bei Ries’ ein Jahr zuvor erschienener und im gleichen Periodikum rezensierter Ouvertüre zu Schillers ‚Don Carlos’ op. 94[9]:

’Die feindlichen Brüder’ lassen sich auch viel leichter in Tönen darstellen, als das tiefer Grossartige, das im Don Carlos waltet [...]. Der diessmalige Gegenstand scheint uns also musikalischer Behandlung im Ganzen günstiger.[10]

Im März 1831 erklang die Ouvertüre in einem Konzert von Ries’ Bruder Hubert in Berlin; man fand sie „voll grossartiger Intentionen und frappirender Instrumental-Effecte.[11] Weniger Glück hatte das Werk, als es im Herbst 1833 im Rahmen der Konzerte der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien aufgeführt wurde; hier wurde sie als „allzu fragmentarisch angelegt[12] empfunden. Obwohl zur Zeit nicht nachweisbar, darf angenommen werden, dass es zu einer Anzahl weiterer Aufführungen gekommen ist.

Bert Hagels

[1] Die von Ries in seinem Werkverzeichnis zu seinen Kompositionen angegebenen Orte und Daten sind veröffentlicht in: Cecil Hill, Ferdinand Ries. A Study and Addenda, University of England/Australia 1982, S. 60-65; hier S. 65.

[2] Ferdinand Ries an Hans Georg Nägeli, Frankfurt/Main, 21. Januar 1830, zitiert nach: Ferdinand Ries, Briefe und Dokumente, bearbeitet von Cecil Hill, Bonn 1982, S. 468.

[3] Ferdinand Ries an Franz Gerhard Wegeler, Frankfurt/Main, 8. April 1830, zitiert nach: Ferdinand Ries, op. cit., S. 476.

[4] Ferdinand Ries an Joseph Ries, Saaren bei Düsseldorf, 9. Juni 1830, zitiert nach: Ferdinand Ries, op. cit., S. 484.

[5] Alle vorstehenden Zitate aus: „Das grosse niederrheinische Musikfest zu Düsseldorf. Pfingsten 1830“, in: Caecilia XII (1830), S. 302-307.

[6] Vgl. Cecil Hill: Ferdinand Ries. A Thematic Catalogue, Armidale/Australia 1977, S. 170.

[7] Vgl. die Berichte in: AmZ 33 (1831), Sp. 127-128 und 207-209.

[8] „[Rezension:] Ouvertüre für das grosse Orchester zu dem Trauerspiele von Schiller: ‚Die Braut von Messina,’ componirt für das niederrheinische Musikfest in Düsseldorf 1830 - - - von Ferd. Ries [...]“, in: Allgemeine musikalische Zeitung [im Folgenden: AmZ] 33 (1831), Sp. 707-708.

[9] Vgl. „Vorwort“, in: Ferdinand Ries, Ouvertüre zu ‚Don Carlos’ op. 94, hrsg. von Bert Hagels, Berlin 2007, S. If.

[10] Vgl. Anm. 7.

[11] „Berlin“, in: AmZ 33 (1831), Sp. 261-263; hier Sp. 262.

[12] „Wien. Musikalische Chronik des vierten Quartals“, in: AmZ 36 (1834), Sp. 158-160; hier Sp. 158.

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